Mit Urteil vom 23. Mai 2025 hat der für Urheberrecht zuständige 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln (Az. 6 U 61/24) eine Bildagentur zur Zahlung von rund 35.000 Euro Schadensersatz verurteilt. Der Hintergrund: Die Agentur hatte ohne entsprechende Lizenzen Fotografien aus dem Innenraum des Kölner Doms, darunter auch das von Gerhard Richter gestaltete "Richter-Fenster", zur kommerziellen Nutzung über ihre Plattform angeboten. Das Urteil bestätigt eine klare Rechtsverletzung, wirft jedoch mit Blick auf die Schadenshöhe Fragen auf.
Insgesamt hatte die Bildagentur 220 Fotografien aus dem Inneren des Kölner Doms in ihrer Bilddatenbank gelistet. Ein erheblicher Teil dieser Aufnahmen zeigte das international bekannte Richter-Fenster im Südquerhaus, ein bedeutendes Werk moderner Glasgestaltung. Diese Bilder wurden kommerziell zur Lizenzierung angeboten, obwohl der Agentur dafür weder urheberrechtliche noch eigentumsrechtliche Lizenzen vorlagen.
Bereits im Jahr 2022 war in einem separaten Verfahren (Az. 8 O 419/19 – LG Köln; 19 U 130/21 – OLG Köln) rechtskräftig festgestellt worden, dass die Agentur nicht berechtigt war, die betreffenden Bilder ohne Zustimmung der Dombesitzerin zu verwerten. Die nun entschiedene Klage bezieht sich auf die wirtschaftlichen Konsequenzen dieser unrechtmäßigen Nutzung.
Das Landgericht Köln hatte die Bildagentur am 23. Mai 2024 zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von rund 100.000 Euro verurteilt. Gegen dieses Urteil legten sowohl die Agentur als auch die Klägerin Berufung ein. Das Oberlandesgericht bestätigte in der Folge zwar die grundsätzliche Haftung, reduzierte jedoch die Schadensersatzsumme auf rund 35.000 Euro.
Ein Teil des Betrags steht dem Künstler Gerhard Richter zu, dessen urheberrechtlich geschütztes Werk auf vielen der verwendeten Bilder zu sehen war. Ihm wurde ein Schadensersatz im knapp fünfstelligen Bereich zugesprochen.
Das Gericht stellte klar: Die Agentur kann sich nicht darauf berufen, dass die Einhaltung urheberrechtlicher Anforderungen allein in der Verantwortung der Fotografen liege. Vielmehr lässt sich die Agentur die Nutzungsrechte aktiv übertragen, versieht die Bilder mit einem eigenen Markenkennzeichen sowie Identifikationsnummern und bietet diese anschließend zur Lizenzierung an.
Nach übereinstimmender Ansicht des Landgerichts und des Oberlandesgerichts hat die Bildagentur ihre rechtlichen Prüfpflichten in erheblichem Maße verletzt. Diese Pflichtverletzung war mindestens fahrlässig, da entweder keine oder keine ausreichende Prüfung der Rechteinhaberschaft erfolgte.
Die Höhe des zugesprochenen Schadensersatzes wurde anhand der von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur fiktiven Lizenzgebühr bemessen. Diese Methode dient dazu, den Betrag zu bestimmen, der bei ordnungsgemäßer Lizenzierung zu zahlen gewesen wäre. Dabei spielen Umfang, Art und Dauer der Nutzung sowie der wirtschaftliche Wert der Motive eine zentrale Rolle.
Trotz der anerkannten Verletzung urheberrechtlicher und eigentumsrechtlicher Positionen fiel der Schadensersatz mit rund 35.000 Euro vergleichsweise niedrig aus. Kritiker bemängeln, dass diese Summe der Schwere des Eingriffs und der kommerziellen Dimension der Nutzung nicht gerecht werde.
Gerade angesichts der internationalen Bedeutung Gerhard Richters und der systematischen Nutzung seines Werks in einer kommerziellen Bilddatenbank erscheint die zugesprochene Summe vielen Beobachtern als zu gering. Die Entscheidung lasse eine klare Signalwirkung vermissen, wie sie bei Verletzungen geistigen Eigentums im großen Stil angebracht wäre.
Ein höherer Schadensersatz hätte nach Ansicht verschiedener Stimmen nicht nur den wirtschaftlichen Eingriff angemessener kompensiert, sondern auch eine deutlich stärkere abschreckende Wirkung gegenüber kommerziellen Anbietern entfalten können. Die aktuelle Entscheidung könne den Eindruck vermitteln, dass sich Rechteverletzungen im Zweifel finanziell lohnen können, sofern sie in großer Zahl und mit geringem Risiko betrieben werden.
Das Urteil des OLG Köln unterstreicht dennoch eindrucksvoll die rechtliche Verantwortung von Bildagenturen und Plattformen, wenn sie urheberrechtlich geschütztes Material vertreiben. Die Verlagerung der Verantwortung auf Dritte, etwa einzelne Fotografen oder Kooperationspartner, ist rechtlich nicht haltbar.
Insbesondere bei Motiven aus dem öffentlichen oder sakralen Raum, in denen zusätzlich eigentumsrechtliche Aspekte eine Rolle spielen, ist eine besonders sorgfältige Rechteprüfung erforderlich. Dies gilt umso mehr, wenn Werke von international renommierten Künstlern wie Gerhard Richter betroffen sind.
Die Entscheidung sendet zudem eine klare Botschaft an die Branche: Plattformen, die mit der Lizenzierung von Bildern Gewinne erzielen, müssen sich ihrer Verantwortung stellen und geeignete interne Prozesse zur Rechteprüfung implementieren.
Die Revision gegen das Urteil wurde vom Oberlandesgericht nicht zugelassen. Der Bildagentur bleibt lediglich die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof. Diese muss innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils eingereicht werden.
Die Entscheidung des OLG Köln zeigt exemplarisch, wie komplex die rechtliche Bewertung bei der Verwertung von Fotografien mit urheberrechtlichem und eigentumsrechtlichem Bezug ist. Zwar wurde die grundsätzliche Haftung der Bildagentur bestätigt, doch die reduzierte Höhe des Schadensersatzes bleibt diskussionswürdig.
Für die Praxis bedeutet das Urteil: Lizenzierung erfordert nicht nur technisches Know-how, sondern auch juristische Sorgfalt. Nur so lassen sich Konflikte, Prozesse und Reputationsschäden vermeiden.
Quelle: Oberlandesgericht Köln, Urteil vom 23. Mai 2025, Az. 6 U 61/24.