Mit seinem Urteil vom 19. November 2025 hat das Gericht der Europäischen Union einen zentralen Rechtsstreit zwischen Amazon EU Sàrl und der Europäischen Kommission entschieden. Im Mittelpunkt stand die Frage, ob die Einstufung von Amazon als „very large online platform“ (VLOP) im Sinne des Digital Services Act (DSA, Verordnung (EU) 2022/2065) rechtmäßig war. Die Entscheidung hat weitreichende Folgen für Unternehmen, die digitale Plattformen betreiben oder mit diesen zusammenarbeiten – auch für Verlage mit Online-Präsenz.
Amazon hatte gegen die Entscheidung der Kommission geklagt, mit der die Plattform „Amazon Store“ auf Grundlage von Artikel 33 Abs. 4 DSA als VLOP eingestuft wurde. Diese Einstufung führt zur Anwendung besonderer Sorgfaltspflichten nach den Artikeln 34–43 DSA, insbesondere im Bereich Systemrisiken, algorithmischer Transparenz und Datenzugang für Forschende.
Amazon machte geltend, dass Artikel 33 Abs. 1 DSA gegen mehrere Grundrechte der EU-Grundrechtecharta verstoße – unter anderem gegen die unternehmerische Freiheit (Art. 16), das Eigentumsrecht (Art. 17), die Gleichbehandlung (Art. 20) sowie gegen die Meinungsfreiheit (Art. 11) und den Schutz der Privatsphäre (Art. 7).
Kernpunkt der Argumentation: Marktplätze wie Amazon seien nicht vergleichbar mit sozialen Netzwerken oder Suchmaschinen, die typischerweise mit „systemischen Risiken“ in Verbindung gebracht werden. Die Pflichten aus dem DSA würden Marktplätze unverhältnismäßig belasten und die wirtschaftliche Betätigung unrechtmäßig einschränken.
Das Gericht wies sämtliche Argumente zurück. Es stellte fest, dass Amazon im Februar 2023 selbst öffentlich angegeben hatte, dass die Plattform über 45 Millionen monatlich aktive Nutzer in der EU habe – die maßgebliche Schwelle für die VLOP-Einstufung. Eine der zentralen Aussagen des Urteils: „Ein Marktplatz mit mehr als 45 Millionen aktiven Nutzern kann systemische Risiken erzeugen – insbesondere durch den Vertrieb illegaler oder gefährlicher Produkte.“
Das Gericht betonte außerdem, dass die zusätzlichen Verpflichtungen (z. B. Transparenz bei Empfehlungssystemen, öffentliche Werbedatenbanken, Zugang zu Plattformdaten für Forschende) verhältnismäßig und durch das Ziel des Verbraucherschutzes gerechtfertigt seien. Eine Verletzung der unternehmerischen Freiheit liege nicht vor, da die Plattform weiterhin operieren dürfe – lediglich unter Einhaltung zusätzlicher Pflichten. Auch der Vorwurf der Ungleichbehandlung scheiterte: Die Schwelle von 45 Millionen Nutzern sei sachlich gerechtfertigt, da sie sich auf den gesamten Binnenmarkt beziehe.
Das Urteil ist von hoher Relevanz für alle Betreiber großer digitaler Plattformen – einschließlich verlagsnaher Online-Dienste, digitaler Marktplätze oder Plattformlösungen im Medienumfeld.
– Transparenzpflichten bei personalisierten Inhalten und Werbung können auch redaktionelle Angebote betreffen, wenn Schwellenwerte überschritten werden.
– Datenzugang für Forschende betrifft unter Umständen auch betriebsinterne Logiken von Empfehlungssystemen.
– Verpflichtende Risikoprüfungen und Audits werden zur dauerhaften Compliance-Anforderung.
Auch wenn die Schwelle von 45 Mio. aktiven Nutzern für viele kleinere Plattformen aktuell keine unmittelbare Gefahr darstellt, zeigt das Urteil: Der DSA wird ernst genommen – und Unternehmen müssen sich rechtzeitig auf mögliche neue Verpflichtungen vorbereiten.
Gerade Verlage, die digitale Marktplätze betreiben oder sich an Plattformprojekten beteiligen, sollten die DSA-Konformität ihrer Systeme prüfen. Die regulatorische Erwartungshaltung der EU ist eindeutig: Große Plattformen tragen eine besondere Verantwortung gegenüber Nutzern und der Gesellschaft.
Quelle:
Urteil des Gerichts der Europäischen Union vom 19. November 2025 – Rechtssache T‑367/23, Amazon EU Sàrl gegen Europäische Kommission.
Mit Urteil vom 4. Dezember 2025 hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass dem Namen der bekannten Nebenfigur aus den James-Bond-Filmen, „Miss Moneypenny“, kein Werktitelschutz nach § 5 Abs. 3 MarkenG zukommt. Die Entscheidung betrifft den Schnittbereich von Urheber-, Marken- und Kennzeichenrecht und ist besonders relevant für Rechteinhaber, Lizenzgeber und Medienunternehmen, die fiktive Figuren kommerziell verwerten wollen.
Die Klägerin ist laut Copyright-Vermerk auf Vervielfältigungsstücken von James-Bond-Filmen als Inhaberin urheberrechtlicher Nutzungsrechte genannt. Seit 1962 wurden insgesamt 25 James-Bond-Filme veröffentlicht, in denen die Figur „Miss Moneypenny“ – meist als Sekretärin der Figur „M“ – in wechselnder Darstellung auftritt. In neueren Filmen seit 2012 erscheint sie als „Eve Moneypenny“ in modernisierter Form.
Die Beklagte zu 1 bewirbt unter den Bezeichnungen „MONEYPENNY“ und „MY MONEYPENNY“ Sekretariats- und Assistentinnen-Dienstleistungen in einem Franchisesystem. Die Beklagte zu 2 ist Geschäftsführerin dieses Unternehmens, zugleich Inhaberin entsprechender Wortmarken sowie Domains.
Die Klägerin machte geltend, „Miss Moneypenny“ sei ein selbstständig schutzfähiges Werk im Sinne des Werktitelschutzes und die geschäftliche Nutzung der Bezeichnung verletze ihr Recht. Sie forderte Unterlassung, Schadensersatz und die Löschung mehrerer Marken und Domains.
Sowohl das Landgericht Hamburg (Urteil vom 15. Juni 2023 – 327 O 230/21) als auch das Oberlandesgericht Hamburg (Urteil vom 24. Oktober 2024 – 5 U 83/23) wiesen die Klage ab. Die Revision wurde vom Berufungsgericht lediglich hinsichtlich des Werktitelschutzes zugelassen. Der BGH hat nun diese Revision zurückgewiesen.
Der I. Zivilsenat stellt klar: Zwar kann auch der Name einer fiktiven Filmfigur grundsätzlich titelschutzfähig sein. Das setzt jedoch voraus, dass die Figur ein eigenes bezeichnungsfähiges Werk darstellt – ein immaterielles Arbeitsergebnis, das im Rechts- und Geschäftsverkehr eigenständig identifizierbar ist. Es bedarf einer besonderen **Individualisierung und Selbständigkeit** gegenüber dem Gesamtwerk, z. B. durch unverwechselbare Charakterzüge oder optische Merkmale.
Diese Anforderungen sah der BGH bei „Miss Moneypenny“ nicht als erfüllt an:
> „Es fehlt sowohl an einer bestimmten optischen Ausgestaltung als auch an besonderen Charaktereigenschaften, die der fiktiven Figur […] eine unverwechselbare Persönlichkeit verleihen würden.“
Die Figur sei stets eng mit dem James-Bond-Kontext verknüpft, und eine selbständige Wahrnehmung durch den Verkehr sei nicht ersichtlich. Auch wenn in anderen Kontexten (z. B. Fankultur, Literatur) möglicherweise eine weitergehende Individualisierung erfolgt sei, könne dies für den Werktitelschutz nicht berücksichtigt werden.
Das Urteil stellt klar, dass der Werktitelschutz keine „Allzweckwaffe“ zur Verteidigung von fiktiven Figuren ist. Medienunternehmen, Lizenzgeber und Produzenten sollten sorgfältig prüfen, ob die von ihnen geschaffenen Charaktere als eigenständige Werke wahrgenommen werden und über ein ausreichendes Maß an Individualität verfügen.
Auch für Markenstrategien ist das Urteil von Bedeutung: Der bloße Auftritt einer Figur in einem bekannten Film genügt nicht, um daraus Schutzrechte abzuleiten – insbesondere nicht gegenüber späteren markenmäßigen Nutzungen durch Dritte.
Gerade in Franchise- und Licensing-Modellen, etwa im Verlags- oder Filmumfeld, sind klare Schutzstrategien über Marken- und Designrechte hinaus essenziell. Der Werktitelschutz kann eine ergänzende Schutzposition bieten – ersetzt aber nicht eine gezielte markenrechtliche Absicherung.
Quelle:
Urteil des Bundesgerichtshofs vom 04.12.2025 – I ZR 219/24
Heinz Strunk erhält Bremer Literaturpreis 2026 Heinz Strunk erhält den „Bremer Literaturpreis 2026“ für den Erzählband „Kein Geld Kein Glück Kein Sprit“. Die Jury hebt die radikale Darstellung von Fragilität und Vergänglichkeit des Lebens hervor. Sie betont Strunks präzisen Blick auf existenzielles Elend in Alltagsszenen. Sie nennt einen Humor, der bis an das Fantastische und Ekelhafte reicht. Der Band erschien 2025 im Rowohlt Verlag. Der Förderpreis geht an Kaleb Erdmann für den Roman „Die Ausweichschule“. Die Jury würdigt dessen reflektierten Zugang zu Trauma und Erinnerung.
Der „Bremer Literaturpreis“ zeichnet ein einzelnes Werk in deutscher Sprache aus. Er gehört zu den ältesten Literaturpreisen in Deutschland. Seit 1954 wird er jährlich verliehen. Seit 1977 ergänzt ein Förderpreis die Auszeichnung. Der Name verweist auf die Stadt Bremen. Der Hauptpreis ist mit 25.000 Euro dotiert. Der Förderpreis ist mit 6.000 Euro dotiert. Seit 2025 stiftet Deutschlandfunk Kultur das Preisgeld des Förderpreises. Die Verleihung findet im Bremer Rathaus statt. Am Vorabend gibt es eine Lesung in der Bremer Glocke. Träger ist die Rudolf-Alexander-Schröder-Stiftung als Stiftung des Bremer Senats. Das Kollegium der Stiftung entscheidet über die Vergabe.
Der aktuelle Preisträger ist in Literatur und Unterhaltung fest verankert. Strunk erzählt in kurzen Formen mit rhythmischer Sprache. Seine Figuren bewegen sich durch banale Räume und prekäre Verhältnisse. Die Geschichten verbinden Komik mit Schmerz. Sie zeigen Einsamkeit, sozialen Druck und körperliche Grenzerfahrungen. Sie bleiben nah an der gesprochenen Sprache. Die Jury sieht darin eine konsequente Poetik der Beobachtung. Erdmanns Roman verfolgt einen autobiografisch grundierten Erzähler. Er tastet sich an eine Tatgeschichte heran und prüft Erinnerung. Die Perspektive schwankt zwischen Nähe und Distanz. Die Darstellung vermeidet Spektakel und sucht Genauigkeit. Damit erfüllt der Text die Erwartungen an den Förderpreis.
Eva Biringer erhält den „NDR Sachbuchpreis 2025“ für ihr Buch „Unversehrt. Frauen und Schmerz“. Die Jury würdigt das Werk als mutig, klug und befreiend. Biringer gebe Frauen eine Stimme, deren körperliches Leiden bisher zu wenig ernst genommen wurde. Sie zeige, wie Schmerz, Medizin und Gesellschaft miteinander verknüpft sind. Sie beschreibe einen Zustand, in dem weiblicher Schmerz unsichtbar gemacht wird. Das Buch erschien 2025 im Tropen Verlag. Die Jury hebt die stilistische Präzision und emotionale Klarheit der Autorin hervor.
Der „NDR Sachbuchpreis“ zeichnet das beste auf Deutsch geschriebene oder übersetzte Sachbuch des Jahres aus. Er wird seit 2009 vergeben und trug bis 2021 den Namen „NDR Kultur Sachbuchpreis“. Der Preis soll Wissen, Aufklärung und Debatte fördern. Der Name verweist auf den Norddeutschen Rundfunk als Stifter. Der Preis ist mit 15.000 Euro dotiert. Vergeben wird er durch eine unabhängige Jury aus Wissenschaft, Journalismus und Literaturkritik. Die Preisverleihung findet im Schloss Herrenhausen in Hannover statt. Der Preis würdigt Autorinnen und Autoren, die komplexe Themen allgemeinverständlich darstellen.
Eva Biringer verbindet in „Unversehrt“ persönliche Erfahrung mit analytischer Schärfe. Sie beschreibt die strukturelle Ungleichheit im Gesundheitssystem. Sie zeigt, wie der männliche Körper bis heute als medizinische Norm gilt. Das führt zu Fehldiagnosen und fehlender Anerkennung weiblicher Symptome. Biringer verweist auf kulturelle Muster, in denen Schmerz als Schwäche gilt. Sie macht deutlich, dass sich hinter vielen individuellen Leiden gesellschaftliche Muster verbergen. Die Jury nennt das Buch einen dringenden Appell, weiblichen Schmerz wahrzunehmen. Es sei ein Beispiel dafür, wie Essayistik gesellschaftliche Blindstellen aufdecken kann. Der Text steht damit in einer Reihe engagierter Sachbücher, die persönliche Erfahrung mit Erkenntnis verbinden.
Der Gustav-Heinemann-Friedenspreis für Kinder- und Jugendbücher würdigt einmal jährlich Bücher, die Kinder und Jugendliche zu Zivilcourage, Toleranz und gewaltfreier Konfliktlösung ermutigen. Ausgezeichnet werden Werke aus den Gattungen Kinderbuch, Jugendbuch, Sachbuch sowie Bilderbuch. Die Bücher müssen im Vorjahr der Preisvergabe erstmals auf Deutsch erschienen sein, auch als Übersetzung.
Der Preis ist mit 10.000 Euro dotiert. Vergeben wird er von der Landeszentrale für politische Bildung Nordrhein-Westfalen im Auftrag des Landes Nordrhein-Westfalen. Vorschläge können von Verlagen, Autoren oder Autorenverbänden eingereicht werden. Leser:innen oder Bibliotheken sollen Empfehlungen über die Verlage einreichen.
Bewerbungsschluss: 31. Januar 2026.
Das Ludwig-Harig-Stipendium fördert Nachwuchsautoren aus der Großregion Saar-Lor-Lux-Elsass-Wallonien-Rheinland-Pfalz. Bewerben können sich auch Autoren, deren literarische Projekte thematisch mit dem Saarland oder der Großregion verbunden sind. Gefördert werden Vorhaben in Prosa oder literarischer Sachliteratur. Kinder- und Jugendliteratur ist ausgeschlossen.
Das Stipendium ist mit 10.000 Euro dotiert. Davon sind 3.000 Euro für einen Publikationszuschuss vorgesehen. Bewerben können sich Autoren mit höchstens drei eigenständigen Veröffentlichungen.
Bewerbungsschluss: 31. März 2026.
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Dr. Frank Remmertz, Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz und IT Recht in München
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