Was ist passiert?
Der Loewe Verlag und der Ravensburger Verlag stritten vor dem Hamburger OLG , ob der Titel "Gut gemacht, Tigertom" (Ravensburger 01/2001) den Titel einer Kinderbuchreihe "Tiger und Tom" (Loewe Verlag 01/1999) verletzt.
"Beide Parteien verlegen Kinderbücher. Bei der Antragstellerin ist zunächst das Kinderbuch des Autors Klaus-Peter Wolf mit dem Titel "Tiger und Tom" erschienen. Nachdem die Antragsgegnerin ein Kinderbuch mit dem Titel "Gut gemacht, Tigertom" herausgebracht hatte, erschien bei der Antragstellerin dann "Tiger und Tom sind unzertrennlich" (01/2000). Ein dritter Band mit dem Titelbestandteil "Tiger und Tom" ist in Vorbereitung. Die Antragstellerin erwirkte das Verbot,im geschäftlichen Verkehr als Titel eines Buches "Gut gemacht, Tigertom" zu verwenden"
Aus den Gründen:
"Allerdings ist klarzustellen, dass sich der Unterlassungstitel nur auf Kinderbücher bezieht. Ein anderes Ziel verfolgt die Antragstellerin nicht, wie sie in der mündlichen Verhandlung bekräftigt hat.
Das Landgericht hat sein Verbot auf §§ 5, 15 Abs. 2, Abs. 4 MarkenG gestützt, weil die von der Antragstellerin verwendeten Titel kennzeichnungskräftig und mit dem Titel "Gut gemacht, Tigertom" verwechselt werden könnten. Es hat die Ähnlichkeit der Titel und der mit ihnen bezeichneten Kinderbücher hervorgehoben, was insbesondere bei telefonischen oder elektronischen Bestellungen bedeutsam werde, und als unerheblich angesehen, dass es in den USA ein Buch "Tiger and Tom" von J. White gebe.
Dieser Auffassung schließt sich der Senat mit der Einschränkung an, dass nur der prioritätsältere Titel "Tiger und Tom" den Anspruch begründen kann. Die dagegen vorgebrachten Einwendungen der Antragsgegnerin erscheinen nicht stichhaltig.
1. Auf die Ausführungen der Antragsgegnerin zum neuen, an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ausgerichteten Leitbild des durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbrauchers, der den Erscheinungen des Lebens mit "situationsadäquater Aufmerksamkeit" begegnet, braucht nicht eingegangen zu werden, denn es ist nicht erkennbar, dass das Landgericht seiner Entscheidung eine andere Vorstellung vom maßgeblichen Verbraucher und seinen Erwartungen zugrunde gelegt hat.
2. Die Antragsgegnerin meint, der streitgegenständliche Titel "Gut gemacht, Tigertom" könne nicht mit den Titeln der Antragstellerin verwechselt werden, weil - wie Rezensionen in Zeitungen wie der ZEIT oder der Süddeutschen Zeitung belegten - sich Kinderbücher nach Altersstufen der Kinder unterschieden und dementsprechend in den Buchhandlungen getrennt präsentiert würden. Der verständige Käufer werde besondere Sorgfalt walten lassen und erkennen, dass die Bücher der Parteien in diesem Sinne unterschiedlichen Kategorien zuzuordnen seien. Ihm könne überdies nicht entgehen, dass es sich in einem Falle um eine Figur und im anderen um zwei handele.
Die Beobachtungen, die dieser Auffassung zugrunde liegen, mögen richtig sein, nur tragen sie die daraus gezogenen Schlüsse nicht. Der den Gefahren einer Verwechslung ausgesetzte Verbraucherkreis erschöpft sich nicht in den Verfassern von Zeitungsrezensionen und deren Lesern. Er setzt sich vielmehr auch aus Verwandten und Freunden der Kinder zusammen, die keinen differenzierten Einblick in das gegenwärtige Angebot an Kinderbüchern haben müssen.
Das liegt nicht daran, dass sie unverständig, unaufmerksam oder unterdurchschnittlich informiert wären, sondern daran, dass Kinderbücher in der Regel kein Gegenstand sind, mit dem sich der durchschnittliche Verbraucher befasst, und durchschnittliche Verbraucher sind eben nicht nur mit den Bedürfnissen ihres Kindes bestens vertraute Eltern. Zu ihnen gehören auch Großeltern, Onkel oder Tanten, mögen sie es sein oder nur so genannt werden, die oft eher gelegentlich mit dem zu beschenkenden Kinde zu tun haben. Im übrigen ist nicht einmal gesichert, dass alle Eltern das Kinderbuchangebot so differenziert sehen, wie die Antragsgegnerin glaubt. Deshalb fehlen vielen Käufern, wenn nicht sogar den meisten, die Maßstäbe, um die Unterschiedlichkeit der von den Parteien herausgegebenen Bücher auf den ersten Blick wahrzunehmen und allein schon deshalb gegen Verwechslungen gefeit zu sein.
3. Die Titel selbst erlauben keine Zuordnung zu bestimmten Kinderbuchkategorien. Sie sind für Bücher geeignet, die sich an Kinder verschiedener Altersstufen wenden. Selbst wenn der Interessent also differenzierte Vorstellungen von der Unterschiedlichkeit von Kinderbüchern hätte, würde ihn das nicht in die Lage versetzen, Verwechslungen auszuschließen. Die Antragsgegnerin sieht nämlich die Situationen, in denen dem Verbraucher die Titel begegnen, zu einseitig. Sie hat offenbar die Ausnahme im Auge, dass der Erwerber mit besonderer Sorgfalt die Bedürfnisse des zu bedenkenden Kindes analysiert und sich im Buchladen von vornherein auf die gesondert präsentierte Kategorie beschränkt, so dass er entweder auf die Bücher der Antragstellerin oder das Buch "Gut gemacht, Tigertom" stößt.
Der Regelfall ist ein ganz anderer. Häufig hat der Käufer die Bücher der Antragstellerin gesehen oder von ihnen gehört. War die Begegnung von der Art, dass Zeit oder Anlass fehlten, sich mit ihnen eingehend auseinanderzusetzen, oder war es gar unmöglich, weil nur der Titel erwähnt wurde, ohne dass das Buch selbst zur Hand gewesen wäre, bleibt auch nur der Titel "hängen". Man denke etwa an die durchaus lebensnahe Situation, dass ein Kind begeistert von einem Buch erzählt, das es bei anderen Kindern gesehen oder von dem es selbst nur gehört hat.
Deshalb bedeutet es für die Frage der Verwechslungsgefahr nichts, dass Kinderbücher selten telefonisch oder elektronisch bestellt werden [Anmerkung der Red.: Das Urteil ist aus 2001!]. Diesen Fall hat das Landgericht nur als Beispiel herangezogen. Entscheidend ist, dass der gewöhnliche Erwerber nur ein mehr oder minder bestimmtes Erinnerungsbild von dem Buch der einen Partei hat, wenn er dem der anderen Partei begegnet, und zwar auch und gerade dann, wenn er - wie 50 % der angesprochenen Verkehrskreise auch - das Buch "beim Stöbern" entdeckt und es anschließend - wie 80 % der angesprochenen Verkehrskreise auch - ohne vorherige Bestellung mitnimmt.
Wenn - wie die Antragsgegnerin ausführt - "nur ca. 7,2 % der angesprochenen Verkehrskreise Kinderbücher für Kinder im Alter von 4 - 7 Jahren aufgrund von Tipps von Freunden und Bekannten kennenlernen," so besagt das für die Frage der Verwechslungsgefahr nichts. Zum einen bleibt die Antragsgegnerin eine Erklärung schuldig, warum sich aus dieser Zahl auf die Sorgfalt all derer schließen lässt, die ohne "Tipps von Freunden und Bekannten" auskommen müssen. Zum anderen kann die größte Sorgfalt bei der Auswahl des Kinderbuches nicht dazu führen, dass sich ein schwaches Erinnerungsbild von einem anderen Buch in irgendeiner Weise konkretisiert, mit dem man es - sei es unmittelbar, sei es vom Hörensagen - früher einmal zu tun hatte.
4. Danach stellt sich nur die Frage, ob jemand, der schon einmal mit dem Titel des Kinderbuches "Tiger und Tom" in Berührung gekommen ist, den Titel des Kinderbuches "Gut gemacht, Tigertom" mit ihm verwechseln kann.
Keine Bedeutung kommt dabei dem Titelbestandteil "Gut gemacht" zu. Serientitel sind im Bereich der Kinder- und Jugendbücher gang und gäbe. Die einzelnen Bände unterscheiden sich dann meist nur durch vergleichbare Zusätze, die die Bücher innerhalb der Reihe von einander unterscheidbar machen. Angesichts der inhaltlichen Belanglosigkeit der beiden Worte empfindet der Betrachter nur "Tigertom" als prägend. Das gleiche gilt cum grano salis für den Titel "Tiger und Tom". Das "und" entwickelt als Titelbestandteil neben "Tiger" und "Tom" überhaupt keine prägende Kraft. Es wird zudem beim Sprechen leicht verschliffen ("Tiger un' Tom", "Tiger 'n' Tom")
So läuft es in der Tat allein darauf hinaus, ob der Umstand, dass "Tiger und Tom" zwei Individuen bezeichnet, es unmöglich macht, diesen Titel mit "Tigertom", der nur eine Figur ist, zu verwechseln. Die Frage stellen, heißt sie verneinen. Das Gegenteil setzt nämlich voraus, dass derjenige, der mit dem Titel der Antragstellerin in Berührung gekommen ist, ein für allemal weiß und behält, um was es bei dem Buch der Antragstellerin geht. Das ist nicht gewährleistet. Im allgemeinen fesseln Kinderbücher das Interesse von Erwachsenen nicht so sehr, dass sie sich eingehend mit ihnen beschäftigen und unverwischbare Eindrücke von ihnen empfangen, es sei denn, sie lesen sie selbst vor. Nimmt man hinzu, dass der Titel nicht ganz selten von kleinen Kindern vermittelt wird, bei denen Sprache und Entwicklungsstand es möglich machen, dass der Erwachsene keineswegs exakt und unzweideutig erfährt, wie der Titel genau lautet, kann der Angesprochene in diesen Fällen überhaupt keine allen Verwechslungen vorbeugende Vorstellung entwickeln.
5. Eine Schwächung der geschützten Titel, die eine andere Beurteilung rechtfertigen könnte, wird nicht vorgetragen, jedenfalls nicht glaubhaft gemacht. Die im Termin vorgelegte Recherche weist - abgesehen von den Titeln der Antragstellerin - keine Titel auf, die die Elemente "Tiger" und "Tom" in irgendeiner Weise kombinieren.
Es ist unerheblich, dass in den USA ein Buch mit dem Titel "Tiger and Tom" vertrieben wird. Es mag in Deutschland bestellbar sein, dass es in Deutschland auch vertrieben wird, folgt daraus nicht. Demnach lässt sich nicht annehmen, dass es hier überhaupt bekannt geworden ist.
Ob das Angebot eines Importtitels eine Benutzungsaufnahme darstellt, ist eine andere Frage, die etwa für die Priorität bedeutsam sein mag. Wenn sich hinter diesem Hinweis der Antragsgegnerin aber der Gedanke verbirgt, bereits das Angebot genüge, um den Titel bekannt zu machen, so mag auch das richtig sein. Die Antragsgegnerin trägt aber nicht vor, dass in Deutschland überhaupt ein Erwerber von Kinderbüchern diese Möglichkeit, von dem Buch Kenntnis zu nehmen, ergriffen hätte. Das ist auch im höchsten Maße unwahrscheinlich, da nach Vortrag der Antragsgegnerin über 90 % der Käufer von Kinderbüchern diese ohne Bestellung, also in Läden erwerben, ohne sich in Katalogen über Angebote zu unterrichten.
Die Kosten der Instanz hat die Antragsgegnerin nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen." Quelle: OLG Hamburg, 13.12.2001 - 3 U 168/01
Anmerkung:
Auch wenn das Urteil nicht mehr allzu frisch ist, veranschaulicht es doch, welche Gründe die Gerichte heranziehen, wenn es darum geht, die Gefahr von Verwechslungen zwischen zwei Titeln zu prüfen. Dabei spielt vor allem auch die Werkart eine große Rolle. Hier waren es beide Male Kinderbücher. Sachbücher, die sich nicht an Kinder richten, hätte man womöglich so benennen können. Des Weiteren kommt es auch die prägenden Bestandteile an. Wenn eine Serie bestimmte Protagonisten, hier Tiger und Tom, in mehreren Titeln erscheinen lässt, die in sich natürlich unterschiedlich sind, kommt es maßgeblich auf die wiederkehrenden Titelbestandteile an.