Als Untertitel eines Buches, das sich mit Mauertrocknung und Kellersanierung befasst, ist der Ausdruck „Wenn das Haus nasse Füße hat“ eine beschreibende Inhaltsangabe. Titel, die keine reinen Fantasietitel sind, sondern sich auf den Inhalt des Werks beziehen, können aber grundsätzlich keinen Urheberrechtsschutz beanspruchen.
OLG Köln, Urteil vom 08.04.2016, Az.: 6 U 120/15 - Wenn das Haus nasse Füße hat
§ 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG
Vorinstanz: Landgericht Köln, 31 O 498/14
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 11. 6. 2015 verkündete Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 31 O 498/14 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
Dieses Urteil und das genannte Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund der Urteile vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
G r ü n d e :
(anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen gemäß § 540 Abs. 1 ZPO)
I.
Die Parteien streiten über die Nutzung des Untertitels eines Buches „Mauerwerkstrockenlegung und Kellersanierung – Wenn das Haus nasse Füße hat“ des Autors G. Die Beklagte veröffentlichte am 23. 4. 2014 auf dem Kurznachrichtendienst „Twitter“ folgende Nachricht:
„Wenn das Haus nasse Füße hat“ #Mauerwerkstrockenlegung – mit Rat und Tat „Da werden Sie geholfen“ (bit.ly/xxxxxx)
Über den elektronischen Verweis bit.ly/xxxxxx fand eine Weiterleitung auf die Seite der Beklagten „www.N.de“ statt, die sich mit dem Thema Bauwerkserhaltung und Instandsetzung beschäftigt. Über diese Seite ließ sich das Online-Geschäft der Beklagten auf der Seite „www.N-shop.de“ erreichen.
Die Klägerin hat behauptet, der Autor G sei auch Schöpfer des Buchtitels. Die Rechte an ihm habe er ihr mit sämtlichen Nutzungsrechten übertragen. Erstinstanzlich ist die Klägerin in erster Linie aus ihrem Titelschutzrecht, in zweiter Linie aus Urheberrecht vorgegangen und hat von der Beklagten Unterlassung sowie Schadensersatz in Höhe von 1.000 EUR verlangt.
Die Beklagte hat vertreten, der Klägerin stünden die geltend gemachten Ansprüche weder aus Titelschutzrecht noch aus Urheberrecht zu.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, ein Anspruch aus § 15 Abs. 2 MarkenG scheitere schon daran, dass die Beklagte den Ausdruck „Wenn das Haus nasse Füße hat“ nicht titelmäßig verwendet habe. Urheberrechtlicher Schutz komme dem Untertitel nicht zu. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Urteil des Landgerichts verwiesen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
Mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung verfolgt die Klägerin allein ihre urheberrechtlichen Ansprüche weiter. Zur Begründung trägt sie vor, der Titel „Wenn das Haus nasse Füße hat“ weise die erforderliche Schöpfungshöhe auf. Es handele sich um eine individuelle Gedankenführung in Gestalt eines Aphorismus. Der Satz entspreche auch nicht dem allgemeinen Sprachgebrauch.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils zu verurteilen,
1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzen Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, den Text „wenn das Haus nasse Füße hat“ zu vervielfältigen und/oder öffentlich zugänglich zu machen;
2. an die Klägerin 1.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags. Insbesondere trägt sie eine Vielzahl von Fällen vor, in denen die Wendung „nasse Füße“ im übertragenen Sinn gebraucht wird.
II.
Die zulässige Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg.
Gegenstand der Berufung sind allein noch die Ansprüche der Klägerin aus § 97 UrhG. Diese scheitern jedoch daran, dass das Landgericht rechtsfehlerfrei festgestellt hat, dass der Ausdruck „Wenn das Haus nasse Füße hat“ nicht als Sprachwerk im Sinn des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG schutzfähig ist, da es an der erforderlichen Schöpfungshöhe fehlt.
Sprachliche Mitteilungen sind nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG geschützt, wenn sie entweder ihrer Darstellungsform nach oder wegen ihres Inhaltes eine persönliche geistige Schöpfung beinhalten. Nach der Rechtsprechung führt eine durch die individuelle Gedankenführung geprägte sprachliche Gestaltung ebenso zum Urheberrechtsschutz wie eine individuelle Auswahl oder Darstellung des Inhalts (BGH, GRUR 1997, 459, 460 – CB-Info Bank I; Senat, GRUR-RR 2003, 265 ff. – Wanderführer; Bullinger, in: Wandtke/Bullinger, UrhG, 4. Aufl. 2014, § 2 Rn. 48). Je länger ein Text ist, desto größer sind die Gestaltungsmöglichkeiten, so dass umso eher eine hinreichende eigenschöpferische Prägung erkannt werden kann (Senat, ZUM-RD 2012, 35 = juris Tz. 3). Daraus folgt im Umkehrschluss, dass, je kürzer der Text ist, umso höhere Anforderungen an die Originalität zu stellen sind, um noch eine eigenschöpferische Prägung annehmen zu können. Auf diese Weise wird zugleich sichergestellt, dass einfache Redewendungen der Alltagssprache für den allgemeinen Gebrauch freigehalten werden.
Nach diesen Maßstäben kommt dem Ausdruck „Wenn das Haus nasse Füße hat“ kein Urheberrechtsschutz zu. Eine besondere sprachliche Gestaltung weist er nicht auf, sondern ist eine schlichte, auch in der Alltagssprache mögliche Konstruktion. Er ist daher nicht mit dem Zitat von W „Mögen hätte ich schon wollen, aber dürfen habe ich mich nicht getraut” vergleichbar, auf das die Klägerin verwiesen hat und das vom LG München aufgrund seiner „Wortakrobatik“ als schutzfähig angesehen worden ist (GRUR-RR 2011, 447). Entgegen der Ansicht der Klägerin vermittelt der Ausdruck auch keinen besonders originellen gedanklichen Inhalt, insbesondere handelt es sich nicht um einen Aphorismus. Ein Aphorismus ist ein prägnant-geistreicher, in sich geschlossener Sinnspruch in Prosa, der eine Erkenntnis, Erfahrung oder Lebensweisheit vermittelt (Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 8. Aufl. 2015, s. v.). Der Ausdruck „Wenn das Haus nasse Füße hat“ vermittelt demgegenüber keinen eigenständigen gedanklichen Inhalt. Es handelt sich nicht um einen vollständigen Satz, so dass er inhaltlich offen ist. Denkbar sind Fortsetzungen wie „… ist das nicht weiter schlimm“ oder andererseits „…sollte etwas dagegen getan werden“. Als Untertitel eines Buches, das sich mit Mauertrocknung und Kellersanierung befasst, mag der Ausdruck über ein gewisses Maß an Originalität verfügen, ist aber im Kern eine beschreibende Inhaltsangabe. Titel, die keine reinen Fantasietitel sind, sondern sich auf den Inhalt des Werks beziehen, können aber grundsätzlich keinen Urheberrechtsschutz beanspruchen (Schulze, in: Dreier/Schulze, UrhG, 5. Aufl. 2015, § 2 Rn. 110 m. w. N.). Daran ändert auch der vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat näher dargelegte „Schöpfungsprozess“ (Vergleich von durchnässten Schuhen mit einer feuchtigkeitsgeschädigten Wand) nichts, der zwar seinerseits eine gewisse Originalität beanspruchen kann. Maßgeblich ist aber das Ergebnis dieses Prozesses, und dieses stellt eben, wie dargelegt, keine ausreichend individuelle geistige Leistung dar.
Ergänzend kann mit dem Landgericht noch darauf hingewiesen werden, dass der Untertitel eine Anlehnung an das Sprichwort „Wer am Fluss baut, muss mit nassen Füßen rechnen“ darstellt (vgl. https://de.wikiquote.org/wiki/Deutsche_Sprichw%C3%B6rter#W). Auch hier wird ein Bezug zwischen Bauen und „nassen Füßen“ hergestellt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Für die Zulassung der Revision besteht kein Anlass. Der Senat weicht mit seiner Entscheidung weder von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs ab noch hat die Sache über die Rechtsanwendung auf den Einzelfall hinaus grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 ZPO). Die maßgeblichen Rechtsfragen sind in der obergerichtlichen Rechtsprechung außer Streit. Im Übrigen beruht die Entscheidung auf einer Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalles.
Der Streitwert wird, wie mit den Parteien erörtert, für das erstinstanzliche Verfahren in Abänderung der Festsetzung des Landgerichts (§ 63 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 GKG) auf bis 16.000 EUR, für das Berufungsverfahren auf bis 13.000 EUR festgesetzt.
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Dr. Frank Remmertz, Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz und IT Recht in München
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